Neuwahlen- Alles auf Anfang?
Vor etwas mehr als einem Jahr haben die Berliner gewählt – zumindest dort, wo es geklappt hat. Die chaotischen Umstände der Wahl sind unvergessen. Prognosen zum Wahlergebnis wurden schon verkündet, da haben viele Wähler noch gar nicht abstimmen können. Lange Schlangen, stundenlang geschlossene Wahllokale, fehlende oder falsche Stimmzettel – viele Berliner hatten kaum eine Chance, ihre Stimme abzugeben. So etwas hat es in Deutschland noch nie gegeben. Politisch blieb das Wahldesaster bis heute ohne Folgen. Der für die Wahlaufsicht und die fatale Zusammenlegung von Bundestags-, Abgeordnetenhaus- und BVV-Wahlen verantwortliche Innensenator Andreas Geisel (SPD) wechselte lediglich seine Zuständigkeit. Er ist heute für Wohnen und Stadtentwicklung zuständig. SPD, Grüne und Linke machten nach der Wahl weiter wie vorher. Lediglich die Landeswahlleiterin trat später zurück, obwohl sie viele Fehler gar nicht zu verantworten hatte. Nach einem Jahr drohen Franziska Giffey (SPD) und ihre rot-grün-rote Regierungs-Koalition allerdings von der Vergangenheit eingeholt zu werden. Das Landesverfassungsgericht hat über die Gültigkeit der Berlin-Wahlen zu entscheiden. Vieles deutet darauf hin, dass eine komplette Wiederholung der Wahl stattfinden könnte. Frühe Signale in dieser Richtung gab es bereits von Bundeswahlleiter Georg Thiel. Der fragte bereits im Mai: „Was muss eigentlich noch geschehen, damit eine Wahl wiederholt wird“? Auch die CDU hat bereits vor Monaten gemahnt, der Senat müsse sich vorbereiten für eine mögliche Wahlwiederholung. „Das Chaos darf sich nicht wiederholen. Die Berliner haben einen Anspruch darauf, dass in dieser Stadt wenigstens Wahlen funktionieren.“, mahnte ihr Generalsekretär Stefan Evers. Die Oppositionspartei hat außerdem eine Reihe von Vorschlägen gemacht, die Wahlorganisation wirksam zu verbessern. Einige davon werden jetzt mit monatelanger Verzögerung von der neuen Innensenatorin Iris Spranger (SPD) umgesetzt. Über andere wird das Parlament noch diskutieren. Ein neuer Landeswahlleiter hat im Oktober seine Arbeit aufgenommen. Er könnte vor einer Mammutaufgabe stehen, denn womöglich wird im Februar oder März schon wieder gewählt. Mitten in einer historischen Inflations- und Energiekrise droht der Senat politisch handlungsunfähig zu werden. SPD, Grünen und Linken droht eine Denkzettel-Wahl. Die FDP könnte aktuellen Umfragen zufolge sogar aus dem Parlament fliegen – wohl eine Quittung für die schwache Bilanz der Ampel-Koalition im Bund. In der CDU sieht man die mögliche Neuwahl mit gemischten Gefühlen: „Es geht jetzt vor allem darum, die Menschen gut durch die Krise zu bringen. Das darf von einem Wahlkampf nicht überlagert werden.“, meint ihr Sozialexperte Maik Penn. Die Neuwahl sei richtig, aber es gäbe für die Berliner jetzt wichtigere Themen. Er setzt deshalb für den Fall der Fälle auf eine kurze und konzentrierte Wahlkampagne: „Die Berliner wissen auch so, wer diesen Schlamassel zu verantworten hat.“.